Wie immer möchte ich sachlich bleiben und unsere deutsche Sprache sowie geltende Definitionen nicht außer Acht lassen. Gerade im Umfeld der Hundeerziehung und des Hundetrainings, wird doch gerne mal ungenau formuliert und/oder (schlecht) kopiert. Da finden sich dann schnell auf Social Media und sonstigen Seiten schlecht recherchierte Meinungen wieder. Fangen wir also mit der Definition von Aggression an:
Pschyrembel: (engl. Aggression)
„Gegen Personen oder Dinge gerichtetes Verhalten unter Zufügen physischer oder psychischer Gewalt, z. B. bei Angst oder drohendem Machtverlust, das sowohl genetisch angelegt als auch reaktiv auslösbar ist.“
In einer älteren Version hieß es: „allgemeine Bezeichnung für jedes Angriffsverhalten des Menschen und des Tieres, das gegen andere Individuen oder sich selbst (Autoaggression) gerichtet ist und Verarbeitung (Abwehr, Reaktion) eines vorherigen Angstzustandes ist“
Nehmen wir in diesem Zusammenhang auch gleich noch die Definition von Angst hinzu:
Pschyrembel: (engl. anxiety, fear)
„als unangenehm empfundener, gleichwohl lebensnotwendiger (weil eine Gefahr signalisierend) emotionaler Zustand mit zentralem Motiv der Vermeidung bzw. Abwehr einer Gefahr und unter Umständen psychischer und physischer Begleiterscheinung“
Definition der Kommunikation:
Pschyrembel: (lat. communicare)
„Prozess der Informationsübertragung zwischen Individuen mit verbalen und nonverbalen Ausdrucksmitteln (Gestik und Mimik), wobei neben der Sachinformation im engeren Sinn auch Beziehungen definiert und komplexe soziale Mitteilungen ausgetauscht werden (Metakommunikation).“
Aggression im Tierreich
Wikipedia:
„Im Tierreich ist aggressives Verhalten weit verbreitet. Es wird von Verhaltensbiologen dahingehend interpretiert, dass es dem direkten Wettbewerb um Ressourcen oder um Nahrung dient (Interspezifische Konkurrenz und Intraspezifische Konkurrenz), der Revierverteidigung, der Herstellung oder Änderung einer Rangordnung und auch der Konkurrenz um einen möglichen Sexualpartner.„
In Hinblick auf diese Definitionen, sehe ich Aggression keineswegs als Teil jeglicher Kommunikation und schon gar nicht als „normales“ Verhalten. Aggression kann als Teil der Kommunikation angesehen werden, wenn psychische Gewalt im Spiel ist (Drohen)
Was wird aber womöglich missverstanden?
Das Ausdrucksverhalten bzw. die Körpersprache des Hundes, ist eine grundlegende und wichtige Basis für das Verständnis des Hundes und wie er kommuniziert. Ein vom Menschen vielleicht fälschlicherweise als aggressives (Ausdrucks-) Verhalten interpretiert, ist womöglich nur Teil seiner Kommunikation als Beschwichtigungssignal (calming signals) um es erst gar nicht zu einer physische Auseinandersetzung kommen zu lassen.
„Die Motivation für das Ausüben von Aggression ist Angst und Unsicherheit“ – dies kann der Fall sein, muss es aber nicht. Siehe hierzu die genetische Prädisposition.
Was hat das jetzt mit Hundetraining zu tun?
Nun, gerne wird bei Hunden, die beim Spazieren auf andere Hunde losgehen, generalisiert von einem Angstverhalten (die Angst, die körperliche Unversehrtheit zu verlieren) gesprochen und dies eher in Betracht gezogen als ein Dominanzverhalten.
Als gute HundetrainerInnen sollten wir alle Möglichkeiten in Betracht ziehen und auch die feinen Unterschiede der Angst durch Beobachtung differenzieren. Gerade das Sender- Empfänger-Modell in der Kommunikation kann hier wichtige Aufschlüsse bringen.
Bleiben wir beim Aggressionsmodell aufgrund von Angst und sehen uns vorerst unterschiedliche Vergleiche an um ein Verständnis für Begrifflichkeiten zu erhalten:
Ein Mensch steht in der Schlange an der Kasse, das Kind der Mutter vor ihm schreit schon die ganze Zeit, die Person hinter ihm stößt schon zum x-ten Mal mit dem Einkaufswagen leicht an ihn an. Der Mensch verliert umgangssprachlich schlichtweg die Nerven, hämmert auf den Griff des Einkaufswagens ein und brüllt lauthals „Macht endliche eine weitere Kassa auf“
Zeigt dieser Mensch aggressives Verhalten? Laut Definition ja, physisch gegen den Griff des Einkaufswagens und psychisch durch das Schreien (zählt zu psych. Gewalt wenngleich sich nicht jedes Individuum davon beeindrucken lassen wird)
Ist Angst die Ursache der Aggression? Nun, womöglich tiefenpsychologisch, aber generell würde ich das jetzt verneinen. Es sind eher physiologische Vorgänge, die einem „die Nerven durchbrennen lassen“ (Erschöpfung, Stress, etc.)
Ein weiterer Vergleich aus der Praxis:
Ein Elternteil packt das der Gehsteigkante sich nähernde Kleinkind, zieht es mit einem Ruck zu sich und ohrfeigt oder schüttelt es kräftig, schreit es womöglich an. Wahrscheinlich oder vielleicht, muss das Elternteil selbst solch eine Reaktion schon mal erfahren haben (also physische Zurechtweisung) um überhaupt auf diese Art zu handeln, das vermag ich jetzt nicht zu beurteilen, ist aber als eigenes Thema zu betrachten.
Hier haben wir es definitiv mit Angst zu tun. Doch diese gehört differenziert. Ist es, in diesem Bruchteil der Sekunde, vorrangig die Angst des Elternteils, das Kind durch einen Unfall verlieren zu können oder die Angst, das Kind könnte einen „Blödsinn“ machen und auf die Straße laufen? Liegt die Angst also direkt beim Elternteil oder wird sie auf den Empfänger der Aggression projiziert? Es wird hier wohl eine gewisse Kombination vorliegen, aber aufgrund der Tatsache, dass das Kind ja noch nicht auf der Straße war, sondern eben die Möglichkeit gesehen wurde, das dies passiert (siehe auch Vertrauensgrundsatz im Straßenverkehr) könnte (zurecht) fehlendes Vertrauen, eine Art stellvertretende Angst erzeugen.
Wir haben jetzt zwei Beispiele aus dem menschlichen Verhalten und legen nun diese auf eine Mensch-Hund Beziehung um:
Warum zeigt nun ein Hund Aggressionsverhalten einem anderen Hund gegenüber, wenn es aus Angst passiert? Ist es immer die eigene Angst des Hundes? Oder kann diese stellvertretend für den Halter stehen? Beobachtet Eure Klienten im Umgang mit Ihrem Hund genau! Nehmt Euch die Zeit, um nachhaltige Ergebnisse zu erzielen und zufriedene Kundinnen und Kunden zu halten!
Wir wissen, dass Tiere und auch Hunde über ein viel stärkeres Feingefühl als der erwachsene, gestresste Mensch in unserer modernen Gesellschaft, verfügt. Wie oft passiert es, dass der Mensch schon im Vorfeld einer solchen Begegnung mit Stress reagiert und dieses Empfinden auf den Hund überträgt. In solch einer Konstellation übernimmt der Hund womöglich die Aufgabe, sein Herrchen oder Frauchen zu schützen eher, als das er aus einer eigenen Angst heraus agiert.
Also ja, Angst ist eine Mögliche Ursache für Aggression, diese aber bitte immer zu differenzieren versuchen.
„In der Natur finden sie keine übertrieben aggressiven Caniden, …“ ich halte das für eine sehr gewagte und zweifelhafte Aussage. Die „wilde“ Natur ist grausam, sehr sogar! Wenn die Nachkommen eines anderen Rudels getötet werden, um nicht die spärlichen Ressourcen womöglich teilen zu müssen, dann halte ich das Töten für die Spitze der Aggression. Ob etwas „übertrieben“ ist, ist immer im Kontext zu sehen.
Eine Ursache für Aggression wird es immer geben, die gehört gefunden, nicht nur nach Schema-F, sondern individuell! Zu oft wird heute (gerade über das Internet) Wissen ungenau oder ungeschickt vermittelt und zu viele Menschen nehmen vermittelte Inhalte dann sehr schnell als „absolut“ an. Die Auswirkungen lassen sich dann täglich beobachten. Wir sollen Möglichkeiten aufzeigen, wenngleich dies gar nicht so einfach ist, auf geschriebenem Weg.