Eine genauere Betrachtung, warum der Begriff Dominanz in Bezug auf Hundetraining und -erziehung zumeist und generalisiert als negativ ausgelegt wird und warum dies aufgrund unserer Sprache nicht korrekt ist.
Sehr oft wird im Kontext der Hundeerziehung bzw. des Hundetrainings der Begriff der Dominanz sehr negativ assoziiert.
Selbst wenn erahnt werden kann, worauf sich diese negativ Befindlichkeit bezieht, gerade im modernen, gewaltfreien Hundetraining im Vergleich zu aversiven Methoden, die vor allem in früheren Zeiten noch fast Usus waren, so haben wir dennoch eine geltende, deutsche Sprache und Begriffsdefinitionen, die nicht einfach unter den Tisch gekehrt werden können.
Gerade bei Vorträgen zum Thema Hundeerziehung und -training, sollte nicht unachtsam einem breiten Publikum etwas Ungenaues, gar Falsches vermittelt werden, das sich in weiterer Folge als Halbwahrheit wie ein Lauffeuer verbreitet und zu Missverständnissen und sinnfreien Diskussionen führen kann.
Ist also Dominanz per se als negativ zu betrachten – sicher nicht!
Vorweg – der Begriff der Dominanz ist gerade bei der Suche über Internet-Suchmaschinen schon fast mehr im Tierischen/Hundebereich zu finden als anderswo – es dominiert also dieser Bereich????
Es wird vermittelt/gelehrt, dass Dominanz nicht für sich steht, sondern zwischen zwei oder mehr Individuen/Faktoren/etc. in Wirkung tritt.
Ah wirklich? Siehe die genauere, sprachliche Betrachtung hier 👉 Mein Hund ist Dominant
Nun, vielleicht braucht es halt diese zusätzliche Definition um Menschen von der generalisierten Verwendung des Begriffs „der Hund ist Dominant“ wegzubringen. Gemeint wird mit solch „saloppen“ Aussagen generell wohl eine konkrete Situation oder ein statistisch häufiges Verhalten sein, oftmals aber natürlich eine Missinterpretation oder falsche Auslegung des Menschen. Korrekt ist dieser Teil der Definition aber natürlich, mir persönlich vielleicht zu selbstverständlich.
Betrachten wir zunächst die Definition der Dominanz im Duden:
- Gebrauch in der Biologie (Genetik):
„Eigenschaft von Erbfaktoren, sich gegenüber schwächeren durchzusetzen“
Ein gutes Beispiel wie ich finde, denn hier haben wir gleich zwei Möglichkeiten, wie sich der Begriff Dominanz auswirken kann:
a) Ist ein Gen für, salopp gesprochen, „starke Abwehrkräfte“ dominant gegenüber einem Gen (dem Rezessivem in diesem Fall) für eine schwere Erbkrankheit zum Beispiel, dann hat diese Dominanz wohl positive Auswirkungen.b) Das Gen für eine schwere Erbkrankheit ist Dominant gegenüber dem „Robustheitsgen“, eine durchwegs negative Folge einer Dominanz. - a) das Dominieren
Beispiel: „die Dominanz des Visuellen gegenüber dem Akustischen“
b) das Dominieren; Vorherrschaft
Beispiel: „die Dominanz Japans in der Elektronik“
Gute Beispiele also, den Begriff der Dominanz nicht als grundsätzlich negativ zu pauschalieren.
Der Begriff der Dominanz in der Psychologie:
Pschyrembel:
„Überlegenheit oder Streben eines Menschen bzw. einer Gruppe nach Überlegenheit gegenüber Partnern oder anderen Gruppen.“
Hier wird nicht näher auf den Begriff „Überlegenheit“ eingegangen, jedenfalls aber nicht grundsätzlich etwas Negatives definiert.
Mein positives Beispiel hierzu: Ich bin einer Gruppe bzw. einem Individuum gegenüber im kreativen Lösungsfinden überlegen und übernehme daher die Aufgabe wahr, uns aus einer misslichen Situation zu befreien.
Wikipedia:
„Unter Dominanz versteht man in der Biologie und in der Anthropologie, dass ein Individuum oder eine Gruppe von Individuen gegenüber einem anderen Individuum bzw. einer Gruppe einen höheren sozialen Status hat, worauf letzteres unterwürfig reagiert. Das Gegenteil von Dominanz ist Unterwürfigkeit bzw. Subordination / Submissivität.“
Und hier bleibe ich beim Unterpunkt „Biologie“:
„Dominanz-Hierarchien sind bei vielen Tieren einschließlich der Primaten und auch beim Menschen zu finden. Individuum A schränkt die Rechte und Freiheiten von Individuum B ein und gesteht sich selber diese Rechte und Freiheiten zu, was von B akzeptiert wird. Dominanz ist immer beziehungsspezifisch und ist zeit- und situationsabhängig.“
Hier sehen wir bereits anhand der Definition:
- Jedes Elternteil wird seinem (unmündigen) Kind gegenüber Dominant sein, einfach schon zum Schutz im Sinner einer Verantwortung.
- Ebenso jeder Hundehalter, weil sich unsere Hunde gemeinsam mit uns in einer Gesellschaft bewegen und eben nicht alles dürfen
- Der Staat ist mir gegenüber Dominant, weil er ein gewisses zutun von mir verlangt und durch Gesetze gewisse Freiheiten einschränkt. (Ich im Gegenzug dafür aber auch Rechte und Sicherheiten erhalte)
Auch hier wieder Beispiele, die nicht per se als negativ gesehen werden können.
Warum wird also der Begriff der Dominanz im Umgang mit Hunden immer dem Tyrannen zugeschrieben? Es ist schlichtweg falsch, ungenau, wenig durchdacht. Das darf so nicht sein.
Dominanz kann eine positive Führung bedeuten. Positive Dominanz zeigt sich sogar im Führen. Das Vertrauen auf Führung – Führung braucht vertrauen.
Eine negative, richtig „ungute“, falsche Dominanz durch physische wie psychische Gewalt die gibt es, ja, keine Frage. Aber es muss kritisch differenziert werden, gerade wenn Dominanz als etwas generell Negatives in der Mensch-Hunde Beziehung formuliert wird (was eben grundsätzlich falsch ist)
Der beliebte Slogan „Trainieren statt Dominieren“ wird hier leider oftmals ungenau verwendet, vor allem in Verbindung mit physischer Gewaltanwendung. Nur erfahrene TrainerInnen und/oder HundehalterInnen wiessen dies korrekt zu unterscheiden.
In der Weitergabe von Wissen dürfte dies aber schlecht oder in inkorrekter Art und Weise kommuniziert werden und sich leider ebenso schnell verbreiten.
Negativ assoziierte Dominanz kann nicht generalisiert mit physischer Gewalt in Verbindung gebracht werden. Das passiert meines Erachtens zu oft, Beispiele wie 👉 Alphawurf oder Niederdrücken werden hier gerne gebracht (was natürlich keiner braucht) aber negative Dominanz kann auch durch non aversive Mittel bestehen.
Beste Beispiele konnte ich einige male zufällig in Wien beobachten. Auf meist leeren oder wenig frequentierten Gehsteigen ging ein Hund in perfekter unterordnungs Manier, Kopf in Position hoch zur Halterin, quasi permanent „brav“ bei Fuß.
Für mich ein Beispiel negativer Dominanz, weil eigentlich unnötig. Selbst im Schutzhundesport oder bei Unterordnung wird dies über nur einen gewissen Zeitraum für Prüfung oder Show in dieser Art vorgeführt, nicht jedoch als Dauerverhalten „verlangt“.
Anatomische Fehlhaltungen und Probleme scheinen vorausprogrammiert. Es geht hier also gar nicht mehr um die Art und Weise, wie dieses Verhalten antrainiert wurde, es dauernd zu verlangen, ist ein dominantes Verhalten vom Menschen dem Hund gegenüber, wird aber generell als solches nicht wahrgenommen (eher als ein „der ist aber brav“)
Ebenso kann die Dominanz einem Hund gegenüber (je nach Individuum mehr oder weniger), die ich in Form eines Futterstückes (Leckerlies) in der Hand halte (als biologisches Grundbedürfnis „Fressen“), falsch angewendetzu psychischer Gewalt ausarten.
Hier ist es ganz wichtig, das Individuum zu betrachten: Genug Hunden wird das Futterstück in Herrchens oder Frauchens Hand schlichtweg nicht tangieren, für andere aber eine mittelschwere Konfliktsituation darstellen. Für andere Individuen ist der Entzug von Aufmerksamkeit eine größere „Strafe“. Dies ist aber ein eigenes Kapitel…
Bislang konnte ich keine, den Veterinärwissenschaften alleinig gültigen Begriffsdefinitionen finden, die eine Dominanz generell und im Sinne von Erziehung/Training als etwas durchwegs Negatives darstellen. Sollte es dies geben, so freue ich mich auf entsprechende Hinweise/Quellen.
Gerade im Sinne vom Versuch, einheitliche Regeln für die Hundeausbildung zu finden, sollte von Anfang an auf eine korrekte Wissensvermittlung und Genauigkeit in der Kommunikation sowie Artikulation geachtet werden.
Vielleicht muss der Begriff korrekterweise mehr in eine positive und negative Dominanz unterteilt werden, so wie es bei Stress (Eustress/Distress) der Fall ist, wenngleich rein physiologisch hier kein Unterschied besteht, die mentalen Auswirkungen/Folgeerscheinungen sind wohl eklatant.
AKTUELLES UPDATE:
Gerade über facebook einen Artikel einer Hundezeitung erhalten. Ohne jetzt näher auf den Inhalt einzugehen, hier gleich die Einleitung:
„Wer einen Hund dominieren möchte, ist auf dem Holzweg. Damit der Vierbeiner tut, wie er soll, braucht es Regeln – ohne körperlichen Maßregelung!“
Dominanz wird salopp mit „körperlicher Maßregelung“ in Verbindung gebracht. Es ist schlichtweg FALSCH.
Ein ganz anderes Thema widmet sich der auf den Hund bezogenen Aussage 👉 Mein Hund ist Dominant und das diese so gesehen nicht (ganz) korrekt ist. Zum Artikel kommt Ihr durch klicken auf den Link.